Bericht 17. Österreichische Umweltrechtstage
zum Generalthema "Alt- und Neulasten - Vermeidung, Sanierung und Haftung"
Am 12. und 13. September 2012 fanden an der JKU Linz in Kooperation zwischen dem Institut für Umweltrecht der JKU Linz und dem Österreichischen Wasser- und Abfallwirtschaftsverband unter der wissenschaftlichen Leitung von Univ.-Prof. Dr. Ferdinand Kerschner (JKU Linz), o.Univ.-Prof. Dr. Bernhard Raschauer (Universität Wien) und Univ.-Prof. MMag. Dr. Eva Schulev-Steindl, LL.M. (Universität für Bodenkultur Wien) die bereits 17. Österreichischen Umweltrechtstage statt.
Das Generalthema "Alt- und Neulasten - Vermeidung, Sanierung und Haftung" stieß in Praxis und Theorie auf großes Interesse . So folgten wieder etwa 200 interessierte TeilnehmerInnen der Einladung an den Campus der JKU.
Auch diesmal bildete in traditioneller Weise ein umfassender Überblick über die Neuerungen des vergangenen Jahres im Bereich des europäischen und nationalen Umweltrechts den Rahmen der Tagung.
Univ.-Prof. Dr. Verena Madner (Wirtschaftsuniversität, Wien) gab im ersten Vortragsblock zunächst einen ausgiebigen Einblick in die aktuellen Rechts-setzungsvorhaben der Europäischen Union mit einem Schwerpunkt in Bereichen 7. EU-Umweltprogramm, Energieeffizienz, Industrieanlagen-Störfallrecht und Umweltverträglichkeitsprüfung. Der zweite Teil ihres Vortrags war aktuellen Entscheidungen des EuGH in den verschiedensten Bereichen des Umweltrechts (etwa Abfallwirtschaft, Emissionshandel, FFH, IPPC, SUP, UVP, Umweltinformation, ...) gewidmet.
Univ.-Prof. MMag.Dr. Eva Schulev-Steindl (Universität für Bodenkultur, Wien) bot in ihrem heurigen Vortrag den TeilnehmerInnen in gewohnt kurzweiliger Weise einen fundierten Überblick über die jüngste maßgebliche Rechtsprechung in wesentlichen Bereichen des Umweltrechts mit besonderen Schwer-punkten etwa in der Umweltverträglichkeitsprüfung, im Abfallwirtschaftsrecht, im Wasserrecht und im Gewerberecht.
Im ersten Teil des Berichts zur Gesetzgebung im Bereich des Öffentlichen Rechts stellte Ass.-Prof. Dr. Daniel Ennöckl (Universität Wien) prägnant die wesentlichen Neuerungen etwa durch das CCS-Verbotsgesetz, das Emissionszertifikate-Gesetz 2011, das Energieausweis-Vorlage-Gesetz und das Europäische Bürgerinitiative-Gesetz. Zudem unterzog er das Klimaschutzgesetz einer sehr kritischen Würdigung. Näher ging er auch auf die Änderungen der Gewerbeordnung und des UVP-G 2000 ein.
Im zweiten Teil des Berichts zur Gesetzgebung im Bereich des Öffentlichen Rechts erörterte Univ.-Prof. Dr. Nicolas Raschauer (JKU Linz) noch näher Details der UVP-G-Novelle 2012. Breiten Raum widmete er auch der Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Abschließend berichtete er noch über das neue Dienstleistungsgesetz und die neuen umweltstraf-rechtlichen Bestimmungen sowie über punktuelle Änderungen im Bereich des Umweltrechts des Bundes und der Länder.
Das Generalthema betraf diesmal "Alt- und Neulasten - Vermeidung, Sanierung und Haftung".
Die große praktische Bedeutung dieses Themas wird nicht erst bei einem Blick in die Datenbank des Umweltbundesamtes klar: Dort sind per 1.1.2012 62.913 Altablagerungen und Altstandorte registriert, davon 30.545 Altablagerungen und Altstandorte dem BMLFUW gemeldet. Deren Sanierung ist mit einem gewaltigen finanziellen und technischen Aufwand verbunden. In Hinkunft sollen Neulasten verhindert werden. Die Verteilung dieser Aufgaben auf den Verursacher, Liegenschaftseigentümer und/oder die Allgemeinheit ist sowohl im öffentlichen Recht als auch im Privatrecht keineswegs geklärt. Dazu steht ein neues ALSAG in Diskussion und vor Beschlussfassung. Beim Erwerb von Liegenschaften sind Altlasten-klauseln zu optimieren.
All diese Fragen wurden von den ReferentInnen aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln beleuchtet und hinterfragt, Univ.-Prof. Bernhard Raschauer moderierte diesen höchst spannenden Block.
Gleichsam als thematisches Fundament stellte SC DI Christian Holzer (Lebensministerium) die "Ziele und Instrumente der Altlastensanierung" dar. Aufbauend auf einem historischen Rückblick erläuterte er die Instrumente und die erreichten Erfolge, wies aber auch auf die noch ausstehenden Aufgaben hin. Schließlich erläuterte er ua noch das "Leitbild Altlastenmanagement" sowie das "Konzept ALSAG neu".
Mag. Réka Krasznai (Lebensministerium) präsentierte in ihrem Vortrag die "Grundzüge des neuen Altlastenrechts". Nach einem kurzen Überblick über die Ziele des ALSAG stellte sie die Schwerpunkte der Neuregelung dar, um sich in der Folge näher den Ausnahmen vom Geltungsbereich, den Begriffs-bestimmungen, dem Verfahren zur Ausweisung von kontaminierten Standorten und Altlasten, dem vorläufigen Haftungsbescheid für ausgewiesene Altlasten, dem zweistufigen Genehmigungsverfahren und weiteren Detailfragen zu widmen.
Univ.-Prof. Dr. Ferdinand Kerschner (JKU Linz) beschäftigte sich in seinen Ausführungen eingehend mit der "Verursacher- und Liegenschaftseigentümer- haftung aus privat- und öffentlich-rechtlicher Sicht". Er stellte zunächst anhand eines typischen Altlastenfalles plastisch die Problematik dar. In der Folge ging er näher auf die privatrechtliche Zurechnung (zB Rechtsnachfolgerhaftung, Haftung nach Auflassung, Beseitigungsanspruch, ...) sowie öffentlich-rechtliche Zurechnung ein. Kritik an der restriktiven VwGH-Judikatur bildete den Kern. Abschließend forderte er eine sachliche juristische Diskussion zu diesem Thema sowie eine faire, marktgerechte Kostenanlastung und wies darauf hin, dass das Verursacherprinzip auch ein fundamentales ethisches Gebot darstellt.
DI Moritz Ortmann (Kommunalkredit Public Consulting GmbH) berichtete schließlich über "Bundesförderung zur Altlastensanierung". Er steckte zunächst den rechtlichen Rahmen für die Förderungen ab (ALSAG samt Altlastenatlas-Verordnung, Umweltförderungs-gesetz, Förderungsrichtlinien, ...) und zeigte dabei Ziele, Voraussetzungen und Ausmaß der Förderung auf. Nach einer "Förderbilanz" und Ausführungen zum Vergaberecht (insb betreffend Eigenleistungen) bot er noch einen Ausblick samt Darstellung der zukünftigen Herausforderungen.
Unter dem Titel "Beurteilung kontaminierter Standorte" stellte DI Stefan Weihs (Umwelt-bundesamt) im letzten Vortrag des ersten Tages "Fachliche Eckpfeiler für eine Verordnung" dar. Nach der Darstellung der Ausgangslage behandelte er auf der Grundlage des Leitbildes Altlasten-management die neue "Klassifizierung kontaminierter Standorte" und die neuen Verordnungsermächti-gungen im ALSAG. Weiters ging er näher auf die Grundlagen und die Kriterien für die Beurteilung ein. Ein wesentlicher Teil seines Vortrags war auch Fragen der Risikoabschätzung gewidmet.
Das Rahmenprogramm fand heuer erstmals bei einem Mostheurigen statt.
Am Vormittag des zweiten Tages fanden zwei Workshops zu Themenbereichen des Altastenrechts statt, nämlich einerseits zu "Altlastenklauseln und Due Diligence" und andererseits zu "Sanierungs- und Anpassungspflichten aus Sicht der Praxis".
In Workshop A führte zunächst Hon.-Prof. RA Dr. Wilhelm Bergthaler in die Thematik "Altlastenklauseln und Due Diligence" ein. Er beschäftigte sich in diesem Zusammenhang eingangs mit dem öffentlich-rechtlichen Hintergrund der Sanierung kontaminierter Liegenschaften und dem privatrechtlichen Hintergrund der Verteilung des "Bodenrisikos" bei Veräußerung kontaminierter Liegenschaften, bevor er näher auf Fragen der Vertragsgestaltung bzw von Altlastenklauseln einging und Due Diligence bei Liegenschafts- und Unternehmenserwerb darstellte.
Im zweiten Beitrag zu diesem Workshop stellte Dr. Christian Radl (Amt der NÖ Landesregierung, Abteilung Wasserrecht und Schifffahrt) die NÖ Behördenpraxis näher dar. Nach einer Einführung in die Behördenstruktur in NÖ widmete er sich vor allem der Bearbeitungsmethode. Aufgrund einer detaillierten Darstellung der Erfahrungen konnte er noch einige Vorschläge für Optimierungen geben.
Der abschließende Vortragsblock war auch heuer wieder dem zweiten Teil von "Aktuelles im Umweltrecht" gewidmet.
Am Beginn dieses Blocks stand die gewohnt fundierte wie auch launisch dargebotene Darstellung von Univ.-Prof. Dr. Erika Wagner über "Aktuelles Umweltprivatrecht". In einem ersten Teil stellte sie die aktuelle Rechtsprechung des letzten Jahres zum Unterlassungsanspruch, zum Beseitigungsanspruch, zur Eingriffshaftung, zur nachbarrechtlichen Gefähr-dungshaftung, aber auch zu Enteignungs-entschädigungen in Natura-2000-Gebieten dar. Der zweite Teil ihres sehr verdichteten Vortrags brachte den ZuhörerInnen noch das neue Energieausweis-Vorlage-Gesetz 2012 und den Fusionsentwurf zur Reform des Schadensersatzrechts nahe.
Im ersten Vortrag des zweiten Nachmittags berichtete Mag. Evelyn Wolfslehner (Lebensministerium) "aus erster Hand" über "Neue Entwicklungen im Abfallrecht". Sie ging nochmals kurz auf die AWG-Novelle 2010 ein, die unter anderem statt der dreistufigen eine nunmehr fünfstufige Abfallhierarchie brachte. Auch das Abfallende war wieder eines der Kernthemen. Zuguterletzt informierte die Referentin noch umfassend über derzeit geplante Vorhaben (etwa EAG-Verordnungs-Nov 2012, AWG-Novelle Verpackung, VerpackV neu, Recycling-Baustoff-V, Novelle der Deponieverordnung, ...).
Im letzten Vortrag der heurigen Umweltrechtstage stellte Mag. Charlotte Vogl (Lebensministerium) noch "Neue Entwicklungen im Wasserrecht" vor. In einem ersten Teil berichtete sie über die nationale Umsetzung von Gemeinschaftsrecht, insbesondere von Bestimmungen der WRRL, aber etwa auch der Hochwasser-RL. Den zweiten Teil widmete sie dem nationalen Recht und der allgemeinen Vollziehung. In diesem Rahmen stellte sie etwa das AP Nitrat 2012 und den Erlass zur Qualitätszielverordnung Ökologie vor. Abschließend gewährte sie noch Einblick in derzeit laufende legistische Arbeiten.
Als Termin für die nächsten Österreichischen Umweltrechtstage 2013 wurden der 11. und 12. September 2013 in Aussicht genommen.
Alle Fotos:
(c) Martin Waschak, ÖWAV,
Post-Production:
Rainer Weiß September 2012