Bericht 18. Österreichische Umweltrechtstage
zum Generalthema "Verwaltungsgerichte - Alles neu im Umweltschutz?"
Am 11. und 12. September 2013 fanden an der JKU Linz in Kooperation zwischen dem Institut für Umweltrecht der JKU Linz und dem Österreichischen Wasser- und Abfallwirtschaftsverband unter der wissenschaftlichen Leitung von Univ.-Prof. Dr. Ferdinand Kerschner (JKU Linz) und Univ.-Prof. MMag. Dr. Eva Schulev-Steindl, LL.M. (Universität für Bodenkultur Wien) die bereits 18. Österreichischen Umweltrechtstage statt.
Das Generalthema "Verwaltungsgerichte - Alles neu im Umweltschutz?" fand in der "Umweltrechtsfamilie" äußerst große Resonanz: Mit etwa 250 interessierten TeilnehmerInnen wurde ein neuer, eindrucksvoller TeilnehmerInnenrekord aufgestellt.
Eröffnet wurde die Tagung mit Grußworten von HR Dipl.-Ing. Johann Wiedner (Amt der Stmk LReg, ÖWAV-Präsident) und Univ.-Prof. Dr. Ferdinand Kerschner (JKU Linz, ÖWAV-Vorstand).
Auch diesmal bildete in traditioneller Weise ein umfassender Überblick über die Neuerungen des vergangenen Jahres im Bereich des europäischen und nationalen Umweltrechts den Rahmen der Tagung. Die TeilnehmerInnen wurden – wie man neudeutsch sagt – upgedatet, im Europarecht, in der nationalen Gesetzgebung und Judikatur, und zwar im öffentlichen Recht, im Privatrecht, sowie im Wasser- und im Abfallrecht.
Univ.-Prof. Dr. Verena Madner (Wirtschaftsuniversität, Wien) gab im ersten Vortragsblock zunächst einen ausgiebigen Einblick in die aktuellen Rechts-setzungsvorhaben der Europäischen Union mit einem Schwerpunkt in den Bereichen 7. EU-Umweltprogramm, Umweltverträglichkeitsprüfung, Energieeffizienz, Klimaschutz, Chemikalien und Verkehr. Der zweite Teil ihres Vortrags war aktuellen Entscheidungen des EuGH in den verschiedensten Bereichen des Umweltrechts (etwa Abfall[wirtschafts]recht, Chemialien, FFH, Gewässerschutz, Umweltinformation, Umweltverträglichkeitsprüfung, ...) gewidmet.
Univ.-Prof. MMag. Dr. Eva Schulev-Steindl (Universität für Bodenkultur, Wien) lud auch heuer die TeilnehmerInnen in gewohnt kurzweiliger Weise zu einem äußerst informativen "Rundgang" durch die öffentlich-rechtliche Judikatur in wesentlichen Bereichen des Umweltrechts ein, und zwar vor allem Umweltverträglichkeitsprüfung, Abfallwirtschaftsrecht, Wasserrecht, Mineralrohstoffrecht und Baurecht.
Im ersten Teil des Berichts zur Gesetzgebung im Bereich des Öffentlichen Rechts erfuhren die TeilnehmerInnen von Ass.-Prof. Dr. Daniel Ennöckl (Universität Wien), dass es so etwas wie „ex-ante-Übergangsbestimmungen“ im AWG gibt. Ennöckl konstatierte auch, dass sich die Gewerbeordnung in einem bedauernswerten Zustand befindet. Er kenne die GewO noch in einer besseren Verfassung aus den 90er-Jahren, jetzt sei sie völlig zerrissen. Diesem Befund kann nur zugestimmt werden. Die GewO-Reformkommission im Wirtschaftsministerium bemühte sich drei Jahre lang, die GewO zu gesunden, zu verbessern; es wurde ein Entwurf erstellt und legistisch verbessert, dies freilich nur für die Schublade - jetzt wird die GewO wieder weiterhin überfrachtet ...
Im zweiten Teil des Berichts zur Gesetzgebung im Bereich des Öffentlichen Rechts zeigte Univ.-Prof. Dr. Nicolas Raschauer (JKU Linz), dass heutzutage alles und jedes, was irgendwie wichtig sein möchte, in die Verfassung hinein will und sich dort absichern lassen möchte, und zwar als Staatszielbestimmung. Er machte aber auch klar, dass das de facto eigentlich nicht sehr viel weiterbringt.
Das Generalthema betraf diesmal die ab 1. Jänner 2014 in erster Instanz zuständigen "Verwaltungsgerichte: Alles neu im Umweltschutz?".
Univ.-Prof. Dr. Katharina Pabel verdeutlichte in ihrem Grundsatzreferat über "Die neuen Verwaltungsgerichte", dass Reformkommissionen entgegen der Erfahrung vieler nicht immer völlig fruchtlos sind. Sie meinte nämlich: Ohne den Österreich-Konvent, der sich sicher auch vor zehn Jahren schon intensiv mit der Verwaltungsgerichtsbarkeit beschäftigt hat, hätte es so schnell diese Reform nicht gegeben.
Vor den Augen der TeilnehmerInnen ließ Pabel dann die Fundamente und den Rohbau der neuen Verwaltungsgerichtsbarkeit entstehen. Gleichzeitig stellte sie in Aussicht, dass mit Ende des Jahres schon ein völlig ausgestaltetes Heim vorzufinden sein werde. Sie zeigte auch sehr deutlich, dass die neue Verwaltungsgerichtsbarkeit, dieses Jahrhundertprojekt, ein gewaltiger Systemwechsel ist, mit dem sehr viele Herausforderungen und Fragen verbunden sind, nämlich ein Systemwechsel von einem eher verwaltungsmäßig geprägten Staat Österreich als Verwaltungsstaat zu einem stärker justizförmig geprägten Staat.
Univ.-Prof. Dr. Nicolas Raschauer (JKU Linz) brach dann diese grundlegenden Dinge in seinem Vortrag zu "Auswirkungen auf Umweltfahren" ein bisschen herunter auf die konkrete Rechtslage. Dabei zeigte er unter anderem, dass auch der Gesetzgeber in dem einen oder anderen Punkt noch ein bisschen unsicher ist, was die Reform betrifft: Der Gesetzgeber hat nämlich vielfach nicht gewagt, sich genau festzulegen, welches Verwaltungsgericht denn jetzt wirklich zuständig ist.
Priv.-Doz. Dr. Wolfgang Wessely, LL.M., machte in seinem Vortrag "Zur Kognitionsbefugnis" deutlich, dass eigentlich die Gefahr besteht, dass trotz des anderen Willens des Gesetzgebers, nämlich für den Bürger im Vergleich zum VwGH-Verfahren einen einfacheren Zugang zum Rechtsschutz zu bringen, das vielleicht "nach hinten losgehen kann" und die Anforderungen für den Rechtsschutz sogar noch verstrengert werden. Da wird doch in der Praxis vielleicht dann manches korrigiert werden müssen.
Univ.-Prof. Dr. Ferdinand Kerschner (JKU Linz) brachte dann in seinem Vortrag zum "Sachverständigenbeweis" die Warte des Zivilrechts ein. Er zeigte den TeilnehmerInnen in einem flammenden Plädoyer, dass der Beweis durch Amtssachverständige die Gefahr mit sich bringe, dass es zu einer „strukturellen Befangenheit“ des Amtssachverständigen kommen könne. Nachdem er mit seinen Ausführungen das Plenum sehr zum Nachdenken gebracht hatte, wurde in der Diskussion eine Art Kompromiss gefunden und gemeint: Vielleicht liegt die goldene Mitte darin, dass man die Amtssachverständigen organisatorisch ein bisschen mehr verselbständigt.
Dr. Christian Schmelz (Schönherr Rechtsanwälte GmbH) und Dr. Heinrich Vana MAS (Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte Kolbitsch Vana) hielten dann eine Art mediatisierende Doppelconference zum Thema "Einstweiliger Rechtsschutz" ab und zeigten, dass einstweiliger Rechtsschutz im Lichte des Unionsrechtes nicht nur heißt, dass es eine aufschiebende Wirkung gibt so wie bisher, sondern dass im einen oder anderen Fall auch eine aktive Maßnahme geboten sein kann.
... und zwar an Ing. Mag. Florian Berl und an Mag. Dr. Matthias Köhler. Frau Univ.-Prof. Mag.Dr. Erika M. Wagner durfte stellvertretend für ihre Studierenden einen Sonderpreis übernehmen, und zwar zur Veröffentlichung des nächsten Bandes der im Trauner-Verlag erscheinenden Schriftenreihe "Umwelt- und Umwelttechnikrecht" mit dem Titel "Bodenkontamination und Haftung".
Am Vormittag des zweiten Tages fanden zwei Workshops zu höchst interessanten und aktuellen Themenbereichen des Umweltrechts statt, nämlich einerseits zum Thema "Industrieemissions-RL - Neues im Anlagenrecht" und andererseits zu "Amtshaftung und Amtsmissbrauch im Umweltbereich".
... war zunächst bei Hon.-Prof. RA Dr. Wilhelm Bergthaler unter dem Titel "Die Umsetzungsgesetze zur IE-RL: Ausgewählte Schwerpunkte" unter anderem zu erfahren, dass sich die BVT-Referenzdokumente, deren Schlussfolgerungen, erstaunlicherweise sehr gut und flüssig lesen. Warum das? Weil sie eher beschreibend als normativ sind. Sie sind eben, wie manche deutsche Kollegen sagen, neuartige Rechtsinstrumente mit einem eher empfehlenden Charakter.
Im von Univ.-Prof. Dr. Ferdinand Kerschner geleiteten Workshop B zu "Amtshaftung und Amtsmissbrauch im Umweltbereich" verdeutlichte zunächst Univ.-Doz. Dr. Wolfgang Kleewein, dass das Umweltrecht das Amtshaftungsrecht - auch dogmatisch - sehr voranbringt, und dass andererseits das Amtshaftungsrecht sehr dazu beiträgt, das Umweltrecht zu verbessern, nämlich die Defizite des Gesetzgebers auszubügeln.
Im abschließenden Panel standen Univ.-Doz. Dr. Wolfgang Kleewein, Dr. Christoph David Faimann (Amt der NÖ Landesregierung) und Univ.-Prof. Dr. Alois Birklbauer (JKU Linz) den interessierten TeilnehmerInnen zu Problemen der Amtshaftung und des Amtsmissbrauches im Umweltbereich ausgiebig - und zum Teil sehr auch persönlich - Frage und Antwort.
Der letzte Vortragsblock der heurigen Umweltrechtstage war wiederum dem zweiten Teil von "Aktuelles im Umweltrecht" gewidmet.
Am Beginn dieses Blocks stand die gewohnt fundierte Darstellung von Univ.-Prof. Dr. Erika Wagner über "Aktuelles Umweltprivatrecht". Sie erörterte die Judikatur zum AKW Temelin, ging auf das OGH-Urteil zum Flughafen Schwechat näher ein und erörterte im Anschluss daran die neueste Judikatur zu Fußballplätzen.
Im ersten Vortrag des zweiten Nachmittags stellte Mag. Charlotte Vogl (Lebensministerium) "Neue Entwicklungen im Wasserrecht" vor. Dabei ging sie vor allem auf die Wasserrechtsgesetznovellen 2013, Legistik im Bereich des Abwasserbereichs und der Prioritären Stoffe sowie auf die Konzessions-RL, die Wasserrahmen-RL und die Hochwasser-RL ein.
Im letzten Vortrag der heurigen Umweltrechtstage berichtete Mag. Evelyn Wolfslehner (Lebensministerium) noch "aus erster Hand" über "Neue Entwicklungen im Abfallrecht". Schwerpunkte ihres Berichtes waren vor allem die Abfallbilanz-VO, die Abfallnachweis-VO, die EAG-V-Novelle 2013, die AWG-Novelle Industrieemissionen, die AWG-Novelle Verwaltungsgerichtsbarkeitsanpassungsgesetz Umwelt, Abfall, Wasser, weiters die AWG-Novelle Verpackung, die Novelle zur Deponie-V 2008 und die Novelle 2013 zur Abfallverbrennungs-V. Abschließend gewährte sie noch Einblick in geplante Vorhaben, und zwar die Abfallende- und Behandlungspflichtenverordnung sowie EU-Vorhaben.
Abschließend brachte Univ.-Prof. MMag. Dr. Eva Schulev-Steindl, LL.M., in ihren Schlussworten noch die Vorträge und Diskussionen der heurigen Umweltrechtstage zum Thema "Verwaltungsgerichte – Alles neu im Umweltschutz?" prägnant auf den Punkt. Die intensive Befassung mit der Materie hat viele Punkte aufgezeigt, in denen der Gesetzgeber noch Nachbesserungsbedarf hat. Wie Mag. Gerald Kroneder (Magistrat Wien, MA 22 - Umweltschutz) festgestellt hat, sind oft die einfachsten Fragen, nämlich zB die nach der Rechtskraft nach der neuen Rechtslage, am schwierigsten zu beantworten. Das liegt daran, weil hier der Begriff der Rechtskraft von der Lehre geprägt wird, und dann erst in einem Dialog mit der Praxis wieder geschaut werden muss, wie das jetzt nach der neuen Rechtslage zu sehen ist.
Prof. Schulev-Steindl resümierte, dass wir uns derzeit in einem Stadium von Versuch und Irrtum, trial and error, befinden und dass das gar nichts Schlechtes ist: Das ist nämlich ein normaler Zustand bei einer so großen Reform und es wird in den kommenden Monaten und Jahren sicherlich darauf ankommen, dass alle „Stakeholder“, die hier an dem Prozess beteiligt sind, zusammenarbeiten, dh die Techniker vor Ort, die Rechtsanwälte, die Behördenvertreter, der Gesetzgeber und die Wissenschaft - sie alle müssen zusammen dieses neue Gebäude der Verwaltungsgerichtsbarkeit mit Leben erfüllen.
Abschließend mahnte sie noch etwas Geduld ein: Schließlich sei auch Rom nicht an einem Tag erbaut worden.
Wie schon bei den bisherigen Umweltrechtstagen verfolgten die interessierten TeilnehmerInnen nicht nur gespannt die Ausführungen der hochkarätigen Vortragenden, sondern nützten auch ausgiebig die Gelegenheit zur Diskussion sowie zum Erfahrungsaustausch zwischen den verschiedensten Bereichen der Praxis und der Wissenschaft.
Als Termin für die 19. Österreichischen Umweltrechtstage wurden der 10. und 11. September 2014 vereinbart.
Text:
Großteils auf der Grundlage der Schlussworte
von Univ.-Prof. Dr. Eva Schulev-Steindl, LL.M.
Alle Fotos:
(c) Arthur Lehner, ÖWAV,
Post-Production:
Rainer Weiß September 2013